Ermittlungen

Marschall Frein Nobbs stand auf der Brücke neben Captain Frank Nedal, der in seinem Stuhl saß. Marschall Lucie Maggan war mit den Worten in ihren Bereitschaftsraum gegangen: „Na dann Frein, es ist deine Mission.“ Dann verschwand sie. Frein schaute ihr kurz hinterher, dann legte sie ihre Hand auf Franks Schulter: „Frank? Kurs auf Milbara. Nach Toroban. Dort soll der Sitz der Gewerkschaft sein.” „Aye, aye, Marschall.“ grinste er und gab den Befehl an den Steuermann weiter. Frank hatte schnell umgeschaltet, denn sie war erst seit kurzem Marschall. Er drehte sich zu ihr. „Was erwartest du zu finden? Meinst du, die Captains haben mit drin gesteckt?“ „Nein!“ antwortete Frein und schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht. Wir gehen davon aus, dass eventuell wieder die Talloggs dahinter stecken, aber wir werden trotzdem mit der Gewerkschaft sprechen. Vielleicht hatten sie vor dem Verschwinden noch Kontakt mit den Schiffen.“ „Verstehe. Aber hat man das nach dem Verschwinden nicht von offizieller Seite her getan?“ „Davon steht nichts in den Unterlagen, die ich von Captain Wustro bekommen habe. Davon abgesehen will ich sowohl verschiedene offizielle Stellen, wie auch auf der Straße die Leute nach dem sogenannten Untergrund befragen. Der soll auf allen Planeten präsent sein. Mal schauen . . .“
. . . Frein und die Agentinnen Mara Torgran und Frida Venners, die beide mit Lucies Team auf die Mochton gekommen waren, landeten mit drei Shuttle an verschiedenen Stellen auf Toroban. Frein übernahm die Gewerkschaft, die beiden Agents teilten sich auf die Bibliothek und ein großes Einkaufscenter auf. Vielleicht kam man doch noch an Informationen. Alle drei hatten je drei Krefts und einen Piloten an ihrer Seite. Freins Shuttle landete auf dem Dach eines Gebäudes. Viele große Häuser hatten diese Möglichkeit. Frein schaute zu einem der Krefts. „Du bleibst am Schiff. Ihr beide kommt mit.“ Dabei sah sie zu den anderen beiden. Das Dach befand sich über der sechszehnten Etage. Sie mußten eine Etage zu Fuß gehen, um zum Aufzug zu gelangen. Die Gewerkschaft sollte im zehnten Stock sein. Dort angekommen sahen sie sich kurz um. Pagan, einer der Krefts meinte: „Hier drüben.“ Und zeigte auf ein Schild an der Wand. Frein las kurz, was dort stand. „Ok, Augen und Ohren auf. Los geht´s.“ Sie liefen zum Eingang der Gewerkschaftsbüros und Frein klopfte an. Es dauerte recht lange und Frein wollte schon erneut klopfen, als die Tür geöffnet wurde.
„Was kann ich für sie tun?“ fragte schüchtern eine junge Frau. Frein antwortete: „Ich bin Marschall Frein Nobbs von der Galactic Marschall Organisation. Wir ermitteln wegen der Vorfälle im All, bei denen ihre Schiffe zerstört wurden. Können wir bitte mit einem Verantwortlichen sprechen?“ „Kommen sie bitte rein.“ bat sie Frein und die Krefts. Sie führte sie in einen Aufenthaltsraum und drehte sich zu ihnen um. „Bitte warten sie hier einen Moment. Ich spreche mit dem Boß.“ Dann drehte sie sich um, ohne auf eine Antwort zu warten und verschwand im Nebenzimmer. Diesmal mußten sie nicht lange warten. Ein kleiner untersetzter Mann mittleren Alters kam mit der jungen Frau aus dem Zimmer und musterte die drei. In seinem Mundwinkel steckte eine angesabberte Zigarre. „Soso. Sie sind also von der Marschall Organisation.“ Frein wollte gerade etwas sagen, als er weitersprach: „Ich fürchte, ich kann ihnen nicht weiterhelfen. Das ist alles schon so lange her. Außerdem sind sämtliche Akten unter Verschluß. Es tut mir Leid, daß sie umsonst gekommen sind.“ Nun konnte Frein doch etwas sagen: „Entschuldigung. Sie sind?“ „Mein Name ist Gartron Schanall. Ich bin der Vorsitzende der Transportgewerkschaft.“ „Sir. Sie zeichnen doch bestimmt alle Gespräche mit ihren Schiffen auf, oder nicht?“ „Selbstverständlich tun wir das. Aber wie gesagt: das ist unter Verschluß.“ „Wir möchten herausfinden, was bei den Überfällen auf ihre Transporter passiert ist. Wer die Angreifer waren. Jeder Hinweis könnte uns helfen. Das sollte doch auch in ihrem Interesse sein.“ „Tut mir Leid, aber sie müssen leider gehen. Midara? Begleite diese Leute bitte wieder raus.“ Frein holte ihren Kommunikator raus und rief ihr Schiff: „Mochton, bitte kommen.“ Die Antwort ließ nicht auf sich warten: „Mochton hier.“ Es war Leutnant Joseph Lorb, der Funker. Frein blieb offiziell: „Leutnant, verbinden sie mich bitte mit Kanzler Brinard. Leider möchte man uns hier nicht bei unseren Ermittlungen unterstützen.“ „Sofort, Marschall.“ antwortete er. Frein sah absichtlich nicht in die Richtung des Gewerkschaftsbosses. Doch sie wußte, daß er genau zugehört hatte. Und schon meldete er sich: „Aber das ist doch nicht nötig, Marschall. Ich konnte doch nicht wissen, daß das eine offizielle Ermittlung ist. Warten sie, ich bin gleich wieder da.“ Er verschwand in seinem Raum. Die Krefts schmunzelten zu Frein rüber und sie rief erneut die Mochton: „Leutnant, hat sich wohl erledigt.“ „Ist klar.“ Seine Stimme klang belustigt. „Ich warte trotzdem.“ „Danke, Ende.“ Da kam auch schon der Vorsitzende Schanall. „Ein Mitarbeiter wird sie gleich eine Etage tiefer begleiten. Dort wird er ihnen die erforderlichen Aufzeichnungen zeigen.“ Er war wie ausgewechselt. Plötzlich war er freundlich und hilfsbereit. Frein bedankte sich sachlich: „Das ist sehr freundlich, Vorsitzender.“ „Aber das ist doch selbstverständlich. Ich hoffe, sie finden die Schuldigen. Wir hatten dadurch große Verluste.“ „Das war doch bestimmt versichert, oder nicht?“ fragte Frein. „Unsere Schiffe und die Ware sind natürlich versichert, aber die Mannschaften sind vielleicht tot. Das kann man nicht versichern.“ „Das stimmt schon. Vielleicht sind sie auch nicht tot. Die Linienschiffe wurden komplett entführt und man hat keine Leichen in den Trümmern gefunden.“ Er zuckte mit den Achseln. „Ich weiß nicht. Da mache ich mir keine Hoffnung.“ Dann kam der Mitarbeiter und führte sie in das Archiv.
Agent Torgrans Gruppe landete neben der Bibliothek. Dort befand sich ein kleiner Parkplatz für Gleiter. Auch sie ließ einen Kreft beim Piloten zurück und begab sich mit den anderen beiden zum Eingang der Bibliothek. Es war ein altes imposantes Gebäude, das die Angriffe der Talloggs überstanden zu haben schien. Sie gingen eine breite Treppe empor und betraten den Eingangsbereich. Direkt vor ihnen befand sich ein Tresen-Rondell, in dessen Mitte eine ältere Dame an einem Computer-Arbeitsplatz saß und zu ihnen rüber sah. Agent Torgran steuerte auf sie zu und blieb vor dem Tresen stehen. Noch bevor sie etwas sagen konnte, fragte die Dame erstaunlich freundlich: „Willkommen in der Staatsbibliothek. Womit kann ich ihnen dienen? Sie sehen nicht aus, als wenn sie nach einem guten Buch Ausschau halten.“ „Vielen Dank für das Angebot. Ich bin Marschall Agent Torgran von der Galactic Marschall Organisation. Das sind die Krefts Tarant und Logotas. Leider sind wir tatsächlich nicht auf der Suche nach guter Literatur. Wir sind auf der Suche nach Informationen über den sogenannten Untergrund. In den vergangenen Jahren sind diverse Raumflüge überfallen und die Schiffe teilweise sogar zerstört worden. Wir wollen herausfinden, ob der Untergrund vielleicht etwas damit zu tun hat.“ Die Dame lachte auf: „Meine Liebe! Niemals! Der Untergrund soll Raumschiffe überfallen haben? Nein, niemals. Von denen kann vermutlich nicht mal jemand ein Schiff steuern.“ „Aber was macht der Untergrund denn sonst? Wir hörten, daß sie gegen den Zusammenschluß der Planeten wären. Da wären solche Überfälle doch perfekt.“ „Papperlapapp. Das ist doch alles nur Geschwätz. Dieser sogenannte Untergrund ist nichts weiter, als eine Ansammlung von ewig zurückgebliebenen. Leuten, die in der Vergangenheit leben, die den Fortschritt nicht verkraften. Sie schreiben ihre Parolen an Wände, halten heimlich Versammlungen ab und machen immer mal wieder auf sich aufmerksam. Aber die sind völlig harmlos.“ „Wir hörten, sie seien auf allen Welten präsent. Sie wären organisiert und würden Anschläge verüben.“ „Es mag schon sein, daß man sie auf allen Welten antrifft. Sie haben ihre Verbündeten. Aber diese Anschläge sind nichts weiter als Dumme-Jungen-Streiche, nichts weiter. Sie beschmieren Hauswände, verteilen Flugzettel und schmeißen vielleicht auch mal Fenster ein. Aber es soll noch nie jemand körperlich zu Schaden gekommen sein.“ Agent Torgran schaute erstaunt, wie entschlossen die alte Dame erzählte. „Sie sagen das sehr entschlossen. Sie haben nicht zufällig mit dem Untergrund zu tun?“ „Oh nein. Gott bewahre. Schon gar nicht in meinem Alter. Ich finde natürlich auch nicht alles gut, was da heutzutage läuft, aber so ist das Leben nun mal. Es gab auch zu meiner Zeit Veränderungen. Nein, ich habe da einen Kunden, der mich ab und zu mit dem neusten Klatsch versorgt. Ich kann aber auch nicht sagen, ob das aus erster Hand kommt.“ „Dann können wir den Untergrund als Täter wegen der Überfälle abhaken.“ „Ich denke schon. Aber auch dazu habe ich Geschichten gehört. Man erzählt, daß die Invasoren von damals wiedergekommen sein sollen. Die, die damals in meiner Kindheit fast unsere Zivilisation ausgelöscht hatte.“ „Oh, sie haben das damals miterlebt?“ fragte Agent Torgran. Sie kannte die Geschichte ein wenig. „Ja, leider. Aber ich war noch sehr jung. Ich verlor damals meine Eltern und wuchs anschließend in einem Heim auf.“ „Das tut mir sehr leid. Aber wie kommt man darauf, daß es dieselben sind?“ „Oh, das sind nur Vermutungen. Man weiß es natürlich nicht. Aber die Angst ist groß.“ „Das kann ich verstehen. Wir werden uns wieder auf den Weg machen. Vielen lieben Dank. Sie haben uns sehr geholfen. Nächstes Mal komme ich wegen einem Buch.“ Dabei lächelte sie. „Sehr gerne. Sie sind herzlich willkommen. Und grüßen sie Trachtar von Klada Hokam.“ dabei grinste sie verschmitzt. Agent Torgran kannte diesen Zusammenhang nicht, aber sie versprach die Grüße auszurichten.
Agent Venners landete mit ihrem Team auf dem Dach eines großen Einkaufszentrums. Auch sie sollte Informationen über den Untergrund sammeln. Sie ließ nur den Piloten zurück und ging mit den drei Krefts runter in die Einkaufshallen. „Wir teilen uns auf. Sie kennen die Fakten. Larrus, Nopal, sie beide gehen in den Lebensmittelladen und horchen sich dort etwas um. Terres, wir gehen in den Haushaltsladen. Wir treffen uns ca. in einer halben Stunde wieder am Schiff. Melden sie sich, falls es später wird.“ Kreft Nopal antwortete: „Ja, Sir. Bis später.“ Dann trennten sie sich. Sie befragten Kunden, Sicherheitspersonal und Angestellte, aber sie bekamen ähnliche Antworten, wie von der Bibliothekarin.
Frein und ihre beiden Krefts begleiteten den Mitarbeiter, der sich mittlerweile als Koordinator Tallas Konna vorgestellt hatte, eine Etage tiefer. Er führte sie in einen abgelegenen Raum ohne Fenster, der tatsächlich gut verschlossen war. Als das Licht anging, sahen sie mehrere Terminals, an denen man auf das besagte Archiv zugreifen konnte. Konna führte sie gleich an das nächstgelegene Terminal, setzte sich und schaltete es ein. Dann tippte er verschiedene Kombinationen auf der Tastatur und schaute zu den anderen hoch: „So, hier sind die letzten Aufnahmen mit den Schiffen, Sir. Die meisten haben nur Ton. Bild läßt sich über große Entfernungen schwer übertragen und ist in den meisten Fällen auch überflüssig. Wenn sie wollen, können sie es sich anhören.“ „Vielen Dank, Koordinator Konna. Wo muß ich drücken?“ Konna zeigte Frein, wie sie die Aufzeichnungen abspielen konnte. Sie setzte sich, verglich die Schiffsbezeichnungen mit ihren Notizen, die sie auf einem Tablet mitgebracht hatte und startete die erste Aufzeichnung: >>„FT974 an Flugkontrolle. Wir bitten um Starterlaubnis. Kurs: Samanus auf Trantara.“ „Flugkontrolle an FT974. Sie haben Starterlaubnis. Guten Flug Captain Norades. Grüßen sie Lurana im Lager.“ „Das werde ich. Vielen Dank. Wir hören uns in etwa einem Monat wieder. Norades Ende.“ „Flugkontrolle Milbara Ende.“ << Frein drehte sich um. „Das ist nicht viel. Ich sehe nur diesen Eintrag von diesem Schiff. Es gibt keine Aufzeichnungen direkt vom Flug?“ Koordinator Konna schaute über ihre Schultern. „Nein, sieht nicht so aus. Das ist normaler Weise auch nicht üblich. Die Schiffe melden sich bei der jeweiligen Flugkontrolle nur ab oder an. Da dieses Schiff nicht angekommen ist, fehlt dieser Eintrag. Sie melden sich nur zwischendurch, wenn es einen besonderen Grund gibt, aber dazu scheint es nicht gekommen zu sein.“ Frein hörte sich noch weitere Einträge der anderen Schiffe an, doch es waren tatsächlich nur die Anfragen nach der Start- und Landefreigabe. Auf einmal sagte Frein: „Oh, hier. Da sind zwei Einträge.“ Und schon spielte sie den zweiten ab: >>„FT244 an Flugkontrolle. FT244 an Flugkontrolle. Wir werden beschossen. Ich wiederhole: wir werd . . .“ << „Verdammt. Das ist zu wenig. Sie scheinen die Schiffe gezielt außer Gefecht zu setzen: Antrieb, Bewaffnung und Funk.“ murmelte Frein. „Sind die Frachter denn bewaffnet?“ Konna nickte leicht: „Sie haben kleine Bordkanonen, aber die sind eher gegen Gesteinsbrocken. Gegen Schutzschirme anderer Schiffe haben sie kaum eine Wirkung. Die Linienschiffe haben da schon eine bessere Bewaffnung. Aber das hat ihnen anscheinend auch nicht geholfen.“ „Verstehe.“ meinte Frein. Penotas, einer der Krefts, fragte: „Haben sie denn von den Linienschiffen auch Aufzeichnungen?“ Konna drehte sich leicht zu Kreft Penotas. „Nein, Wir betreuen die Mannschaften der Linienschiffe nicht. Die gehören zu den öffentlichen Betrieben.“ Frein schaute die restlichen Aufnahmen durch, aber es gab nur diesen einen zusätzlichen Eintrag. Dann stand sie auf und bedankte sich bei Koordinator Konna: „Vielen Dank für ihre Unterstützung, Koordinator. Ich hatte mir mehr erhofft, aber das hat uns trotzdem weiter geholfen.“ „Tut mir Leid, daß es nicht mehr war, Marschall.“ „Kein Problem. Aber vielleicht können sie mir noch etwas über den sogenannten Untergrund erzählen. Es wurde spekuliert, er könne etwas damit zu tun haben.“ Konna schüttelte energisch den Kopf und lachte: „Mit Sicherheit nicht, Marschall.“ Auch Konna beschrieb den Untergrund als völlig harmlos und unfähig, Überfälle im All durchzuführen. Frein bedankte sich noch einmal für die Hilfe, dann verabschiedeten sie sich, verließen das Archiv und fuhren wieder Richtung Dach, wo ihr Shuttle auf sie wartete. Die drei Teams verbrachten den halben Tag auf Toroban, aber das Ergebnis blieb dasselbe: der Untergrund konnte nicht mit den Ereignissen im All in Verbindung gebracht werden und die Funksprüche mit den Frachtern ergaben keine Informationen über die Angreifer oder den genauen Hergang der Überfälle. Gegen Mittag machten sich alle wieder auf den Weg zur Mochton. Auf der Brücke angekommen ließ sich Frein mit der Arrowhead verbinden. „Joseph? Eine Verbindung zur Arrowhead, bitte.“ „Ja, Sir.“ antwortete Leutnant Joseph Lorb, der Funker. Kurz darauf sah Frein unseren Funker Leutnant Gustav Garteß: „Hallo Gustav. Wir sind zurück von Toroban und machen uns etwas frisch. Sag John bitte Bescheid, daß er sich in etwa einer Stunde bei uns für einen Zwischenbericht melden soll.“ „Hallo Frein. Ja, mache ich. Und? Wie ist es gelaufen?“ „Nichts Besonderes, aber das besprechen wir nachher.“ „Ok, dann bis später, Frein.“ „Bis später, Ende.“

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Erkenntnisse