Vereinigte Planeten

Kurz darauf erschienen kleine Bilder der einzelnen Büros der Ministerien. Die Begrüßung verlief etwas unkoordiniert. Dann übernahm Lucie das Wort: „Sehr geehrte Minister. Wir haben diverse Neuigkeiten für Sie. Leider auch negative. Wir sind tatsächlich auf die Talloggs gestoßen. Bei einem Zusammenstoß von Marschall Bradlan mit den Energieschirmen zweier ihrer Schiffe kam es zu einer riesigen Explosion, in der es vermutlich auch den Marschall erwischt hat. Zumindest können wir keine Spur von ihm finden.“ Minister Tragal von Milbara erwiderte: „Das tut mir Leid zu hören, Marschall. Wie konnte das passieren? In seiner energetischen Form?“ „Ja, Minister. Er bildete mit seinen Energien einen Schild um die beiden Schiffe der Talloggs, um unsere zu schützen. Es sind neuere, die unseren leider überlegen sind. Allerdings hat die Explosion auch die Gegner außer Gefecht gesetzt, so daß wir sie leicht überwältigen konnten.“ „Dann war sein Opfer wenigstens nicht ganz umsonst. Aber das ist natürlich tragisch. Wir werden bei gegebener Zeit darüber reden. Was haben Sie noch?“ Lucie übergab an John: „Da möchte ich an Marshall Briggs übergeben, Minister.“ Der Minister nickte. John übernahm: „Verehrte Minister. Bei unseren Recherchen fand Marschall Bradlan heraus, daß zwei Systeme, die sie in ihren Karten verzeichnet haben, damals bereit kolonisiert worden waren.“ Er erzählte alles, was er vorher schon Lucie vorgetragen hatte und endete mit den Worten: „Es wäre also schön, Sie hier dabei zu haben, um den Kontakt mit den Melantarern und Plantorusern aufzunehmen, bzw. zu vertiefen. Wir haben uns den Melantarern bisher nur als GMO vorgestellt, da wir Sie nicht aus und vor lassen wollten.“ Die Minister sahen alle verblüfft aus. Es entstand eine Diskussion zwischen ihnen, bis sich Minister Tragal zu Wort meldete: „Leute! Das können wir in Ruhe diskutieren. Vielen Dank für die erstaunlichen Ausführungen und Informationen und vielen Dank, daß Sie uns mit einbeziehen wollen. Das würden wir natürlich sehr begrüßen. Immerhin haben diese Kolonien einmal zu uns gehört. Vermutlich sind die Informationen zu diesen Systemen tatsächlich damals im Krieg verlorengegangen. Ich denke, wir sollten das kurz intern besprechen und dann auf dem schnellsten Weg eine entsprechende Delegation zu Ihnen schicken. Wir werden uns demnächst wieder bei Ihnen melden, Marschall.“ Lucie nickte: „Selbstverständlich, Minister. Wir werden das weitere Vorgehen besprechen, wenn Sie sich wieder melden.“ Der Minister nickte nur noch, dann verschwand sein Bild. Auch die anderen Minister schalteten ab. John sagte: „Na, das lief doch erstaunlich gut. Sie scheinen sich über das Ergebnis zu freuen.“ Lucie nickte: „Ja, scheint so. Ich hoffe, es kommen nicht nachträglich Vorwürfe, daß wir sie erst jetzt informieren. Aber das hattest du ja alles begründet.“ „Genau. Und danke, daß du das mit Elijah erzähl hast. Das hat mir schon bei Peggy gereicht.“ Sie nickte: „Das kann ich verstehen. Jetzt sollten wir auch Schluß machen für heute. Ich gebe dir Bescheid, wenn ich was von den Ministern höre. “ John stand auf. „OK, danke Lucie. Ich bin dann auf meinem Schiff. Grüß Frein.“ „Mache ich. Ruh dich etwas aus.“ Sie drückten sich kurz, dann ging John in den Transporter Raum und ließ sich auf sein Schiff schicken.
Die Arbeiten auf dem Raum-Dock in der Umlaufbahn des vereisten Mondes von Melantara liefen auf Hochtouren. Das Dock war riesig. Um eine Basis, in der an kleineren Schiffen gearbeitet werden konnte, waren vier große Gondeln plaziert, in denen je ein größeres Schiff gebaut oder repariert werden konnte. Die Schiffe, wie die Arrowhead, hatten dort sogar noch viel Platz. Das Schiff aus der Umlaufbahn des Planeten war mittlerweile ebenfalls zum Dock gebracht worden und sollte hier für die Übernahme vorbereitet werden. In den kleineren Docks hatte man tatsächlich die gestohlenen Schiffe gefunden, oder wenigsten, was davon übriggeblieben war. Sie waren größtenteils demontiert worden. Wahrscheinlich hatte man Teile und Materialien für den Bau der neuen Schiffe verwendet. Leutnant Montain hatte sich in der Werft mit einem größeren wissenschaftlichen Team häuslich eingerichtet. Er wollte speziell das unfertige Schiff im Dock unter die Lupe nehmen. Nach dem Angriff auf die Mochton und die Arrowhead war klar, daß die neuen Schiffe in vielen Gebieten verbessert worden waren. Das mußte genau untersucht werden und man wollte natürlich entsprechende Verbesserungen in die eigenen Schiffe integrieren. Christian befand sich gerade im Maschinenraum des unfertigen Schiffes, als er von der Zentrale der Werft gerufen wurde: „Christian hier. Was gibt´s?“ „Hallo Christian. Hier ist Jolan. Soll ich schon mal die Bojen fertig machen, damit wir auch die anderen Schiffe herschleppen können?“ Fragte die Stimme aus dem Lautsprecher im Maschinenraum. Christian stand an einer kleinen Sprechanlage ohne Monitor. Er überlegte: „Nein. John meinte, wir sollen die Bojen von den Routen und der Suche abziehen, aber wir sollen erst mal eine auf jeder Route zurück lassen, falls doch noch etwas passiert. Die beiden Schiffe werden wir wohl einsammeln, wenn wir die Werft in unsere Galaxie überführen. Dann kommen wir dort sowieso vorbei. Die Arrowhead ist noch in den Vorbereitungen wegen der Vereinigten Planeten und den zwei bewohnten Systemen. Das können wir später besprechen.“ „Ja, ok. Dann können sich die Techniker erst mal in Ruhe um die beiden Schiffe und die Werft selber kümmern. Danke dir.“ „Kein Problem, Jolan. Ende“ Leutnant Jolan Vendaran beendete das Gespräch.
Da die Delegation der Vereinigten Planeten zu lange gebraucht hätte, in das Melantara-System zu kommen, war vereinbart worden, daß die Arrowhead und die Mochton die Delegation abholen sollte. Die Vereinigten Planeten würden eine größere Delegation schicken. Ein Schiff der GMO sollte sich mit einem Teil der Delegation auf den Weg in das Plantorus System machen, um dort gewissermaßen den ersten Kontakt herzustellen. Der andere Teil der Delegation wollte den Kontakt mit den befreiten Melantarern aufbauen und bei der Befreiung des Planeten dabei sein. Nun waren die beiden Schiffe angekommen und alle bereiteten sich auf das Treffen auf der Mochton vor. Frein hatte wieder einen Konferenzraum vorbereiten lassen. Ein Buffet stand bereit, das alle Geschmäcker befriedigen sollte. John und Mike waren schon an Bord gekommen und klärten mit Frein und Lucie noch kurz die Punkte, die sie mit der Delegation besprechen wollten. „Dann ist das soweit klar.“ endete John. „Noch ein anderes Thema: Ich habe Christian das OK gegeben, die meisten Bojen von den Routen abzuziehen. Sie sollen nur je eine zurücklassen, falls sich doch noch etwas tut. Er soll auch die letzten Bojen von der Suche abziehen. Ich denke, wenn sie bisher nichts gefunden haben, werden sie auch nichts mehr finden.“ Frein nickte: „Ich möchte mich auch nicht damit abfinden, aber du hast Recht, John. Wir haben jetzt über eine Woche suchen lassen und es gab nicht mal eine winzige Spur von Elijah. Wenn das hier alles vorbei ist, werden wir das in Ruhe besprechen und eine entsprechende Feier organisieren. Wir müssen nach vorne schauen. Das hätte er gewollt.“ Sie nickten alle zustimmend. Dann meldete sich der Transporter Raum: „Das Schiff der Delegation ist da und sie kommen jetzt an Bord. Kommt ihr runter?“ Lucie stand am Computer. Sie drückte einen Knopf und erwiderte: „Ja, Toban, wir kommen runter.“ Leutnant Toban Werades war der diensthabende am Transporter.
Sie empfingen die Delegation im Transporter Raum und führten sie in den Konferenzraum. Da die Delegation aus über zwanzig Leuten bestand, ergab sich unterwegs keine wesentliche Konversation. Doch im Konferenzraum angekommen, staunte die Ministerin Gumusus von Trantara: „Das sieht ja wieder einmal köstlich aus, Marschall.“ Sie stand neben Marschall Nobbs und schaute auf das Buffet. „Frau Ministerin. Sie wissen doch: mit leerem Magen kann man nicht verhandeln. Wer satt ist, macht eher Zugeständnisse.“ Gab Frein lächelnd zurück. Die Ministerin lächelte ebenfalls: „Da haben sie wohl Recht. Das muß ich mir merken.“ Sie nahmen sich etwas vom Buffet und suchten sich ihre Plätze. Etwa fünfzehn Minuten später stand Frein auf und räusperte sich. „Sehr verehrte Delegation, im Anschluß wird Marschall Briggs mit der Arrowhead Richtung Plantorus aufbrechen. Wer mitfliegen wird, möchte sich dann bitte ihm und Captain Presch anschließen. Die Mochton wird dann wieder zurück nach Melantara fliegen. Alle, die an Bord bleiben, können sich dann gerne schon mit den geretteten Melantarern aus dem Raumdock bekannt machen und erste Gespräche beginnen. Wie wir schon über Funk gesagt hatten: wir haben uns bisher nur als GMO bekannt gemacht. Vielleicht können sie ihnen die Situation jetzt etwas genauer erklären. Wir haben bereits unsere Informationen, die uns hoffentlich bei der Befreiung der anderen auf dem Planeten helfen werden. Hierzu können wir auf dem Flug gerne das weitere Vorgehen mit ihnen absprechen.“ Minister Tragal stand auf: „Erst einmal vielen Dank für den köstlichen Empfang, Marschall.“ Er nickte Frein zu und die anderen Minister klatschten kurz. Dann fuhr er fort: „Wir haben uns bereits in zwei Teams aufgeteilt. Ich werde mit ihnen mitfliegen, Ministerin Gumusus wird die Leitung des Plantorus-Teams übernehmen. Ich denke, wir werden uns als erstes den Melantarern auf ihrem Schiff vorstellen. Das wird vermutlich etwas Zeit in Anspruch nehmen. Sie werden viele Fragen haben und wir natürlich auch. Alles weitere dann danach.“ Das weitere Gespräch fand im Sitzen statt. Man diskutierte noch eine Weile, doch es wurden keinerlei Vorwürfe laut, weder wegen der späten Benachrichtigung, noch wegen dem bisherigen Vorgehen.
Nach dem Essen verabschiedeten sich sowohl die Mannschaften, wie auch die Teams der Minister voneinander. John und Mike führten ‚ihre‘ Minister in den Transporter Raum und ließen sich auf ihr Schiff holen. Mike begab sich auf die Brücke und ließ den Kurs nach Plantorus setzen: „Runter auf SL10. Der Flug ist lange genug. Ich möchte benachrichtigt werden, wenn wir ca. 2 Stunden davor sind. Die Minister sollen etwas Zeit haben, sich vorzubereiten.“ Leutnant Thomas Lander saß am Steuer: „Aye Captain. Wir sind auf Kurs. Ich rufe dich dann.“ „Danke Thomas. Du hast die Brücke. Ich bin in meinem Raum.“ Thomas nickte nur. Er hatte oft die Brücke. Mike war meistens nur auf der Brücke, wenn sie im Einsatz waren. Ansonsten half Mike oft im Schiff oder beschäftigte sich mit der Technik. Sie kannten immer noch nicht alle Möglichkeiten, die das Schiff bot und bald würde neue Technik dazu kommen, wenn sie die neuen Schiffe erkundet hatten. Die Minister folgten John auf eine Quartiers-Ebene. Dort wartete schon ein Leutnant, der ihnen ihre vorläufigen Quartiere zuwies. Es lagen ein paar Tage Flug vor ihnen.
Ich hatte das Gefühl, aufzuwachen. An der Art, wie ich meine Umgebung war nahm, wußte ich, daß ich mich noch immer in der energetischen Form befand. Langsam streckte ich meine energetischen Fühler aus. Irgendwie hatte ich das Gefühl, Schmerzen zu haben, obwohl das natürlich nicht möglich war. Aber ich fühlte mich nicht vollständig. Es mußte durch den Zusammenstoß mit den Schilden der beiden Schiffe eine ziemlich große energetische Explosion gegeben haben, die auch mich einen großen Teil meiner Energien gekostet hatte. Ich mußte zusehen, daß ich wieder auf die Beine komme – oder anders ausgedrückt zu neuen Energien. Ich fühlte, daß ich mich nicht im normalen Raum befand und erinnerte mich daran, daß sich die beiden Schiffe in einem Zwischenstadium zwischen Normal- und Subraum aufgehalten hatten. Vermutlich war ich durch die Explosion hinunter gezogen worden und hing jetzt selber in dieser Zwischenebene fest. Langsam kehrten meine Sinne zurück und ich tauchte aus dieser Ebene zurück in den normalen Raum. In einiger Entfernung erfaßte ich die beiden fremden Schiffe. Sie hingen dort nur im Raum und es waren keinerlei Energiesingnaturen auszumachen. Sie mußten durch den Ausfall ihrer Schirme in den Normalraum gezogen worden sein. Die Schiffe waren komplett ausgeschaltet und es waren auch keine Lebensformen auszumachen. Was war geschehen? Waren sie tot? Ich suchte die Umgebung nach unseren Schiffen ab, doch ich konnte sie nicht finden. Mir wurde schwindelig. Die Scans waren anstrengend. Ich brauchte dringend neue Energie.
Ich überlegte, ob ich meine übliche Vorgehensweise, in der Nähe einer Sonne aufzutanken, durchführen sollte. Es war riskant. Vielleicht konnte ich mich auf eine tiefere Subraumebene begeben und von dort aus sicherer Entfernung wenigstens ein wenig Energie tanken. Das versuchte ich. Nicht weit entfernt befand sich ein unbewohntes System, dessen Sonne nicht stark genug war, auf einem seiner 5 Planeten Leben hervor zu bringen. Aber für meine Zwecke sollte es reichen. Ich tauchte langsam von Subraumebene zu Subraumebene ab. In jeder machte ich eine kurze Pause. Dann, auf SL5 angekommen, wagte ich mich in die Nähe der Sonne. Auch ich mußte meine Struktur schützen, um nicht von den gigantischen Energien der Sonne erfaßt zu werden. Doch erstaunlicher Weise kam ich klar. Die Energien durchströmten mich und ich fühlte, wie meine Kräfte zurückkehrten. Normaler Weise flog ich ziemlich dicht an eine Sonne und lud meine Kräfte in ein paar Minuten auf, doch diesmal war ich vorsichtig. Ich badete gewisser Maßen etwa eine halbe Stunde in den Ausläufern der Sonne und genoß die Aufladung regelrecht. Das war angenehm. Ich sollte mir dafür öfter Zeit nehmen. Es war fast so, wie die Bäder, die ich damals in meinem Badehaus genommen hatte. In der Zeit konnte ich in Ruhe über das Geschehene nachdenken.
Das hätte auch anders ausgehen können. Ich erinnerte mich an meine vergangenen Abenteuer mit meinen Artgenossen. Auch sie waren damals durch unvorsichtige Vorgehensweise in Zusammenstößen mit anderen Kräften ums Leben gekommen. Das hätte mir auch passieren können. Aber wie sollte ich das vorhersehen? Es handelte sich nur um die Schilde von Schiffen. Dann dachte ich an unsere Schiffe. Wo waren sie geblieben? Hatten sie nach mir gesucht? Dann viel mir ein, daß eines der fremden Schiffe zurück geblieben war. Vermutlich hatten sie keine Zeit, sich lange um mich zu kümmern. Sie waren wahrscheinlich in das Melantara-System geflogen, sich um das letzte Schiff zu kümmern. Doch wie wollten sie es stellen? Bisher hatte ich mich um den ‚Erstkontakt‘ gekümmert. Langsam wurde ich doch unruhig. Ich wollte los, meine Freunde suchen. Meine Kräfte sollten vorerst ausreichen. Ich verließ die Sonne, entfernte mich und tauchte wieder auf. Beim Anblick der beiden leblosen Schiffe kam mir eine Idee. Was, wenn nur die Energie-Leitungen der Schiffe selber durchgebrannt aber die Beiboote noch intakt waren. Konnten meine Leute die Talloggs einscannen, wie wir es vorhatten oder waren die Talloggs bei dem Vorfall gestorben? Ich mußte auf das Schiff.
Als ich so als Energie durch die Wände und Leitungen eines der beiden Schiffe gleitete, bemerkte ich den Grad der Zerstörung. Die meisten Hauptleitungen waren durchgebrannt. Auf einem der Flure angekommen nahm ich wieder die Form des Marschalls an. Ich konnte atmen, doch es roch verbrannt. Ich lief durch diverse Flure, konnte aber keine Talloggs ausmachen. Dann hatten es meine Leute wohl doch geschafft, sie einzuscannen. Ich machte mich auf den Weg zu den Shuttle. Im unteren Bereich des Schiffes befand sich ein größerer Hangar. Beim manuellen Öffnen der Tür bemerkte ich einen starken Sog. Im Hangar schien sich keine Atmosphäre zu befinden. Ich schloß die Tür wieder und durchdrang sie als Energie. Im Hangar merkte ich, daß ich Recht hatte. Das große Tor nach draußen war offen und es war kein Shuttle mehr auf seinem Platz. Ich wunderte mich. Konnten die Talloggs doch fliehen? Das wäre nicht gut. Zurück im Flur suchte ich mir einen Wartungstunnel, in dem ich über eine Leiter in die oberen Stockwerke kam. Die Aufzüge konnte ich ja nicht nehmen. Oben befand sich ein kleinerer Hangar, in dem ein weiteres Shuttle stehen sollte. Es war ein größeres, in dem etwa zehn Leute Platz hatten. Vermutlich war es für die Mannschaft der Brücke gedacht, die in einem Notfall bis zu Letzt die Stellung halten würde. Hier hatte ich Glück. Es war noch dort. Entweder mußte ich in einem Raumanzug das Tor langsam manuell öffnen oder ich müßte es im energetischen Zustand versuchen. Das wäre allerdings schwieriger. So zog ich einen Raumanzug an, den ich in dem Shuttle aus dem Schrank genommen hatte. Ich sicherte mich an der Wand, wo sich die Notöffnung befand und drehte langsam an der Kurbel. Wieder bemerkte ich einen Sog, aber diesmal mußte ich die Luft entweichen lassen. Als der Sog nachließ, drehte ich die Kurbel weiter, bis das Tor weit genug offen war, damit das Shuttle durch paßte. Ich hatte die Schleuse des Shuttles offen gelassen, damit auch dort die Luft entweichen konnte. Ich betrat das Schiff, schloß die Schleuse und sorgte für den Druckausgleich. Im Cockpit nahm ich auf dem linken Stuhl Platz und kontrollierte alle Systeme. Das Shuttle schien komplett einsatzbereit zu sein, allerdings war es noch nicht umprogrammiert worden. Die Systeme liefen noch im Sinne der Talloggs. Ich ließ meine Energien durch die Systeme fließen und korrigierte das nötigste, dann startete ich und flog langsam aus dem Schiff. Draußen nahm ich noch etwas Abstand und wollte das Shuttle in den Subraum gleiten lassen. Doch zuerst wollte ich Kontakt mit meinen Leuten und natürlich Peggy aufnehmen. Ich ließ die Finger über die Konsolen fliegen und mußte feststellen, daß die Daten noch nicht eingegeben waren. Natürlich nicht! Also mußte ich zuerst in das Melantara-System zu unseren Schiffen fliegen. Über kurze Entfernung konnte ich jederzeit mit jedem Kontakt aufnehmen, der mich hörte. Auf SL10 angekommen, nahm ich Kurs auf das Melantara-System.
Trotzdem brauchte ich ein paar Tage. Ich konnte nicht sagen, warum, aber ich schaute erst jetzt auf die Zeit und erschrak. Mein Zusammentreffen mit den zwei gegnerischen Schiffen lag bereits 12 Tage her. Hatte ich solange ohne Bewußtsein zwischen den Subleveln getrieben? Was mußten meine Freunde durchgemacht haben? Aber ich mußte warten, bis ich in Reichweite war.
Im Melantara-System angekommen tauchte ich auf. „Computer?“ Ich hoffte, daß das funktionierte. „Ja, Sir?“ kam es zurück. „Bitte volle Scans des Systems durchführen. Insbesondere vom vierten Planeten. Melde bitte alles, was nicht natürlichen Ursprungs ist.“ Der Computer antwortete wieder „Ja, Sir.“ Aber das war ok. Auch das mußte noch angepaßt werden. Ich schaltete sowohl die Schirme als auch die Tarnung ein. Ich wußte noch nicht, was mich erwarten würde. Ich hoffte, unsere zwei Schiffe zu finden und eines der fremden. Aber ob meine Leute es geschafft hatten, es zu überwältigen, wußte ich nicht. Langsam kam ich Melantara näher. Die Langstreckenscans zeigten allerdings keine Schiffe. Ich wußte noch nicht, ob das gut oder schlecht war. Dann umrundete ich Melantara und der Computer meldete sich: „Sir? Um den Mond kreist eine Station. Vermutlich ein Raumdock.“ Ich schaute auf und fragte: „Kannst du mir das bitte vergrößern und auf den Hauptschirm geben?“ Das vordere Fenster konnte auch als Monitor genutzt werden. Ich sah eine Raumstation mit vier Gondeln. Ja, das war eine Werft. „Bitte noch näher auf die Werft.“ „Ja, Sir.“ Dann sah ich, daß sich in wenigstens einer Gondel ein Schiff befand. Getarnt kamen wir näher und umrundeten das Raumdock. In der gegenüberliegenden Gondel sah ich noch ein Schiff. Es waren beides Schiffe der Talloggs, ein älteres und ein neueres Model. Da mein Shuttle eins der Talloggs war, wagte ich einen Scan. Eins der Schiffe war noch gar nicht fertiggestellt, das andere energielos. Ich wagte einen Funkspruch: „Shuttle SX334 an die Werft. Bitte kommen. Shuttle SX334 an die Werft.“ Die Nummer hatte ich an der Außenhülle des Shuttles gelesen. Kurze Zeit später bekam ich tatsächlich eine Antwort: „Leutnant Vendaran hier. Welches Shuttle soll das sein? Diese Nummer ist nicht registriert.“ Das war korrekt. Die Shuttles der bereits erbeuteten Talloggs-Schiffe waren in der Datenbank registriert. Da der Leutnant das nachsehen konnte, mussten sie die Werft bereits umprogrammiert und das dritte fremde Schiff, daß um Melantara geflogen war, übernommen haben. Das war gut. Ich antwortete: „Hallo Leutnant. Das Shuttle kommt direkt aus dem kaputten Talloggs-Schiff. Das kann auch noch nicht registriert sein. Wo darf ich landen?“ „Zwei Gondeln sind leer. Suchen Sie sich eine aus. Mit wem spreche ich überhaupt.“ Ich mußte grinsen. Schön, daß der Leutnant das noch fragte. „Mein Name ist Bradlan. Marschall Bradlan.“ Ich bekam keine Antwort mehr. „Leutnant? Ich lande dann in einer freien Gondel.“ „Marschall? Sind sie das wirklich? Wir haben sie überall gesucht, Sir.“ „Ja, ich bin es wirklich. Behalten sie das bitte noch einen Moment für sich. Ich komme an Bord und erkläre, was geschehen ist. Wer ist noch an Bord?“ „Leutnant Montain und eine Menge Techniker, die an den beiden Schiffen arbeiten.“ „Ok. Rufen sie bitte Christian auf die Brücke, aber sagen sie bitte nichts von mir.“ „Ja, Sir.“ „Danke! Bradlan, Ende.“ „Ende.“
Ich umflog noch einmal die Werft, dann landete ich in einer freien Gondel und machte mich auf den Weg zur Brücke. Da sowohl Schiffe, wie wohl auch diese Werft nach logischen Aspekten aufgebaut waren, fand ich die Brücke ohne langes Suchen. Ich trat ein und sah Christian Montain und einen Kollegen der Crew, der wahrscheinlich Leutnant Vendaran war, mit dem ich grade gesprochen hatte. Der Leutnant schaute zu mir und Christian drehte sich um. Sein müder Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Er riss den Mund auf und seine großen Augen schauten ungläubig. „Elijah!!!“ schrie er und rannte auf mich zu. Wir nahmen uns in die Arme. Ich schnappte nach Luft: „Schon gut. Ich bin´s wirklich. Du zerdrückst mich.“ „Oh, entschuldige.“ Er ließ locker und schaute mich von oben bis unten an. „Bist du ok?“ „Ja, ich denke schon. Noch etwas schlapp. Hab wohl eine Menge Energie verloren.“ „Na, bei der Explosion kein Wunder. Sylvester ist nichts dagegen. Brauchst du etwas? Möchtest du dich setzen?“ Er konnte sich gar nicht beruhigen. „Wir haben über eine Woche nach dir gesucht. Wo warst du denn?“ Mir wurde tatsächlich etwas schwindlig und ich setzte mich an ein Pult. „Ich wurde zwischen die Level gezogen. Ich bin zwischen Normal und SL1 zu mir gekommen.“ „Oh! Wie das denn? Aber trotzdem komisch, daß dich unsere Scans dort nicht finden konnten.“ „Die Scans gehen direkt auf SL1 runter. Sie müßten anders justiert werden. Aber damit konntet ihr nicht rechnen. Hab ich auch nicht.“ „Na Hauptsache, du bist wieder da. Wissen es die anderen schon?“ „Nein, ich konnte vom Shuttle keinen erreichen. Es ist noch nicht umprogrammiert. Deshalb bin ich hier in das System gekommen. Ich hatte gehofft, auf unsere Schiffe zu treffen, aber so geht es auch. Wenn du magst, kannst du eine Verbindung zu den beiden Schiffen und zur Zentrale herstellen.“ „Aber klar doch. Verbindung kommt sofort. Ayh, ich fasse es immer noch nicht. Du lebst. Na da werden sich aber einige freuen. Ich glaube man wollte schon eine Trauerfeier planen.“ Ich grinste schief: „Auf den großen Schirm, bitte.“ Es dauerte nicht lange und die Verbindung stand. Christian stand mitten im Raum, ich saß noch immer am Rand, sodaß man mich nicht sofort sehen konnte. John fragte: „Hallo Christian. Was gibt´s neues. Peggy! Du bist auch in der Leitung?“ Christian antwortete: „Hallo Leute. Ich glaube da möchte euch jemand guten Tag sagen.” Er schaute in fragende Gesichter. Da stand ich auf und drehte mich zum Bildschirm. Wieder schaute ich in erstaunte Gesichter. Dann kam es wie aus einem Munde: „Elijah!!!“ Ich konnte gar nicht antworten, so laut sprachen sie durcheinander. Peggy rannen diesmal Tränen der Freude über die Wangen. Das Erstaunen wich der Erleichterung. Ich erklärte kurz noch einmal, was ich schon Christian erzählt hatte. „Mir geht´s soweit gut, aber ich fühle mich noch etwas schlapp.“ Peggy meldete sich zu Wort: „Ich bin so froh, daß du lebst. Das machst du bitte nicht noch mal mit mir!“ John fiel ein: „Nein mit uns bitte auch nicht.“ Ich setzte mich wieder hin und antwortete: „Nein, das habe ich auch nicht vor. Nächstes Mal finden wir eine andere Lösung. Aber die beiden Schiffe hat es auch schön erwischt. Da geht ja gar nichts mehr.“ Lucie erwiderte: „Ja, Elijah, aber das wäre es nicht wert gewesen. Wir sind bald da, dann können wir in Ruhe sprechen. Wir haben je einen Teil der Delegation der Vereinigten Planeten an Bord. John fliegt nach Plantorus, wir kommen ins Melantara System zurück.“ Sie erzählte kurz, was geschehen war. „Aber später mehr. Ich denke, da möchte noch jemand in Ruhe mit dir sprechen.“ Sie spielte auf Peggy an. Ich nickte: „Ja, natürlich. Ich freue mich. Dann bis bald. Du bleibst noch in der Leitung?“ Ich schaute zu Peggy. Sie lächelte wieder: „Natürlich.“ Die Verbindungen zur Arrowhead und zur Mochton wurden unterbrochen. John winkte nur noch kurz, dann war er weg. Christian, der immer noch im Raum stand, nickte Peggy zu und verschwand von der Brücke. Auch Leutnant Vendaran ließ mich alleine. „Hey!“ „Hey!“ Wir sahen uns an und waren beide erleichtert. Peggy flüsterte: „Warum mußt du jetzt so weit weg sein? Ich möchte dich in den Arm nehmen.“ „Ich dich auch, Peggy. Ich dich auch.“ Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und erwiderte: „Ich bin so froh, daß du lebst. Ich wollte es nicht wahr haben.“ „Tut mir ja Leid, Schatz. So hatte ich es mir auch nicht vorgestellt. Als ich mit dem Shuttle hier her kam, hatte ich erst mal bemerkt, wie lange ich weg war. Ich kann mich an nichts erinnern. Es muß wie eine Art energetisches Koma gewesen sein.“ „Du bist wieder da. Das alleine zählt. Ruh dich aus, mein Schatz. Wir können ja nachher noch mal sprechen.“ Ich nickte müde: „Ja, Schatz. Das machen wir. Ich werde ein schönes Sonnenbad nehmen.“ Peggy lächelte: „Ja, geh dich mal sonnen.“ Sie wußte natürlich, daß ich damit meine Energien aufladen wollte. Wir verabschiedeten uns, warfen uns noch Küßchen zu, dann wurde der Schirm dunkel. Ich lehnte mich an und schloß einen Moment die Augen. Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich nur Energie tanken mußte oder ob da nicht noch mehr dahinter steckte. Ich hatte den Verdacht, daß mir ein Teil meiner selbst verlorengegangen war. Wenn wir in der nächsten Zeit noch einmal in die Gegend des Zusammenstoßes kommen würden, wollte ich in diese Zwischenzone zwischen dem Normalraum und SL1 tauchen und mich dort genauer umsehen.

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Plantorus