Wiedersehen

Langsam flog die neue Werft in die Umlaufbahn von Tollax´ Mond. Die andere Werft, die wir von Kanzler Boseh zur Nutzung zur Verfügung gestellt bekommen hatten, befand sich im Gurundos-System im Orbit um Galltron, den Ausbildungsplaneten der Platroner. Die Idee mit dem Mond hatten wir von Melantara übernommen. Die Mochton dockte außen an der Werft an. Ihre erste Crew hatte den Flug der Werft übernommen. Die Arrowhead flog direkt in die Umlaufbahn von Tollax.
Ich hatte kurz vor der Ankunft noch etwas geschlafen. Immerhin wollte ich fit sein, wenn ich Peggy wieder sehe. Auf dem Weg zur Brücke traf ich John: „Hey Elijah, hast du dich etwas ausgeruht?“ „Ja und du?“ „Hab was gegessen. Wer weiß, wann ich das nächste Mal was bekomme.“ „Ich denke, wir hatten genug Aufregung. Jetzt ist etwas Urlaub angebracht.“„Urlaub? Was ist das?“ Er lachte: „Nicht, wenn ich mit dir arbeite.“ Ich boxte ihm leicht in die Seite, lächelte aber: „Aber du könntest Recht haben: ich habe schon wieder neue Ideen.“ „Ich wußte es.“ stöhnte John. „Ich wußte es.“
Auf der Brücke angekommen rief ich: „Gustav, bitte eine Konferenzschaltung mit der Werft, der Mochton und der Basis.“ „Eye, Chef.“ Kurz danach erschienen wieder die Brücken auf unserem großen Schirm. Ich ergriff das Wort: „Hi Leute.“ Peggy strahlte: „Seid ihr zurück?“ Lucie Maggan antwortete für mich: „Hallo Peggy. Ja, wir sind grad angekommen.“ Ich übernahm wieder: „Hallo Schatz. Wir sind zurück. Aber ich möchte kurz etwas Offizielles sagen, bevor wir uns in die Arme fallen.“ Ein kurzes Lachen ging durch die Mannschaften. Alle freuten sich für uns beide. Vor allem bei dem, was vorgefallen war. Peggy schmollte : „Na gut.“ Dann lächelte sie aber. Ich begann: „Ich möchte mich bei allen bedanken. Das war eine Wahnsinns-Mission. Ihr seid der Wahnsinn. Das war mehr als nur gute Arbeit.“ Irgendjemand fing an zu klatschen und alle machten mit. Dazwischen waren Dankesrufe zu hören. Ich fuhr fort: „Aber nicht, dass ihr denkt, es gibt die nächsten Beförderungen.“ und grinste dabei. Ein kurzes Lachen kam über die Gesichter. „Wobei . . .“ ich sah zu John rüber. Der nickte. „Eine Beförderung möchte ich doch bekannt geben. Eine Person ist ins kalte Wasser gesprungen und musste mit dieser Mission durch die Hölle gehen. Aber ich glaube, sie ist gestärkt daraus hervorgegangen und bereit, sich den nächsten unmöglichen Aufgaben zu stellen.“ Ich machte eine kurze Pause. Ich wusste nicht, ob Frein schon ahnte, dass sie gemeint war. Ich hatte sie nicht direkt angeschaut. „Frein? . . . Vor der Mission habe ich dich erst zu einem Marschall gemacht. Nun hast du aber eine Mission übernommen, die nicht nur die Leitung einer Mission erforderte. Du hast nicht nur dein Schiff geleitet, sondern auch noch die Arrowhead. Du musstest viele Entscheidungen treffen und hast das getan, als ob du das schon immer getan hättest. Ja, du hattest Hilfe. Aber das hat jeder Marschall. Wir alle holen uns Rat bei der Mannschaft. Und darum bekommst du hiermit deinen zweiten Stern.“ Die Mannschaften brachen in Jubel und Applaus aus. Frein bekam Tränen in den Augen. Lucie nahm sie kurz in den Arm. Ich übernahm wieder: „Genau genommen, hättest du dir mit dieser Mission sogar den dritten Stern verdient, aber wir wollen nicht gleich übertreiben.“ Ein kurzes Gelächter war zu hören. „Frein, ich bin mächtig stolz auf dich und danke dir für deinen Einsatz.“ Etwas brüchig antwortete Frein: „Danke Elijah.“ und fügte kurz danach hinzu: „Aber die nächste Mission darf gerne etwas normaler sein.“ Wieder lachten die Kollegen. Ich lächelte: „Dazu wollte ich jetzt grad kommen.“ Sie schaute mich schon fast entsetzt an. Ich sprach schnell weiter: „Keine Panik. Ich denke, wir haben uns erstmal eine Auszeit verdient.“ Ich schaute Peggy an: „Peggy. Aufgabe für dich: Bitte organisiere für die neue Werft eine Übergangs-Besatzung mit Freiwilligen. Gerne auch Leute von unseren Schiffen, die schon die ersten Erfahrungen mit ihr gemacht haben. Die Auszeit geht aber vor. Es sei denn, jemand braucht sie nicht. Es sollten für den Anfang Techniker und Ingenieure sein, aber gerne auch Mitglieder aller Crews.“ Peggy antwortete: „Verstanden. Ich starte einen Rundruf und stelle dir eine vorübergehende Werft-Crew zusammen.“ „Danke. So, Mochton Crew. Für euch gilt das auch. Wer auf der Werft bleiben will, bleibt. Alle anderen bitte Schluss machen, Berichte schreiben und ab in den wohlverdienten Urlaub. Ich schlage 14 Tage vor. Danach in alter Frische auf Bereitschaft.“ Lucie schlug vor: „Alles klar, Elijah. Wie wäre es, wenn wir die Abschlussbesprechung heute Abend auf der Basis abhalten. Peggy? Ein Buffet könnt ihr da unten organisieren, oder?“ Peggy strahlte: „Das sollte kein Problem sein. Wie viele schätzt du kommen?“ „10 – 15, denke ich. Übersichtlich.“ „Das bekommen wir hin.“ Ich schaltete mich wieder ein: „Ok, dann ist das auch geklärt. Ich wollte euch auch nicht länger von der Arbeit abhalten. Wir sehen uns dann 18:00 auf der Basis. Bis später und nochmal vielen Dank an alle.“ Nach kurzen Bestätigungen beendeten alle die Verbindung. Ich drehte mich zu John und den anderen: „Na dann – eine kleine Not-Mannschaft bleibt an Bord. Alle anderen haben freie Auswahl, wo sie hin möchten. Wir haben Transport-Shuttles, die zwischen den Systemen fliegen. Falls jemand mal zu Hause vorbeischauen möchte.“ Verschiedene Kommentare gingen durch die Brücke. Mike kam zu John und mir: „Die Idee ist gut. Ich werde tatsächlich nach Platron fiegen. Magst du mitkommen ?“ Er schaute John an. John schaute zu mir und grinste: „Du kommst die nächsten Tage bestimmt ohne uns aus, oder? Hast ein wenig nachzuholen . . .“ Ich wusste, dass er auf Peggy und mich anspielte und lächelte zurück: „Ich denke schon. Fahrt ruhig. Das ist ja der Sinn von Urlaub. Organisiert ihr das bitte? Und registriert ihre Ziele. Das soll keine Kontrolle sein – nur zur Sicherheit. Legt von mir aus eine Datei an, zu der nur die Leitenden Zugang haben. Peggy sollte Ränge und Berechtigungen bereits eingepflegt haben. Gebt das bitte auch an Lucies Team weiter.“ Mike nickte und John antwortete: „ Machen wir, Elijah und jetzt verschwinde. Da wartet jemand auf dich.“ Ich nickte und sparte mir einen Kommentar. Er hatte ja Recht. Wir nahmen uns alle kurz in die Arme, dann verschwand ich im Aufzug zu den Shuttles. Ich suchte mein gutes altes Rettungs-Shuttle auf und flog zur Oberfläche.
Es war noch mitten am Tag. Peggy hatte zwar eine Aufgabe von mir bekommen, aber das konnte sie vom Büro aus erledigen. Deshalb begab ich mich direkt zu ihrem Büro. Es lag im Haupthaus, wie auch die Büros der Marschalls und Offiziere der Schiffe. Da Peggy die Leitung der gesamten GMO übernommen hatte, lag ihr Büro mittlerweile im obersten Stock. Es war etwas großzügiger ausgestattet, als die Büros der Marschall-Leitung und der Offiziers-Leitung, die sich im 1. Stock befanden. Wie auch in den beiden anderen Büros hatte sie neben ihrem großen Arbeitstisch eine großzügige Sitzecke, in der persönliche Gespräche geführt werden konnten und eine kleine Küchenzeile mit einem Replikator. Außerdem verfügte jedes der Leitungs-Büros über ein eigenes kleines Bad. Neben ihrem Raum befand sich ein Büro, in dem ihre persönlichen Assistenten arbeiteten. Sie hatten diverse Aufgaben übernommen, wie den Empfang und Weiterleitung von Besuch, die Leitung und Überwachung der Bauarbeiten sämtlicher neuen Bereiche auf Tollax, die Koordination der Missionen, Kontakt mit den Crews oder die Organisation der Übergangs-Besatzung für die neue Werft usw. Somit hatte Peggy etwas den Kopf frei. Vor der Mission hatten sie und ihr Team ebenfalls im 1. Stock in normalen Büros gearbeitet. Als ich dort eintraf, sagte man mir, sie wäre kurz nach der Beförderung mit Sack und Pack nach oben gezogen. Ich grinste und dachte mir: „Nicht lange gefackelt. Sie weiß schon, dass das eigentlich mein Büro werden sollte . . .“ Neben dem Assistenz Büro befand sich ein größerer Sitzungsraum für offizielle Treffen. Davon gab es auf den Etagen verteilt noch weitere in diversen Größen. Ich hatte bei der Planung des Gebäudes und der Räumlichkeiten mitgewirkt. Daher wusste ich, dass ich in Peggys Raum nur durch das Assistenz-Büro kam. Ihr Büro hatte eine Tür. Doch die ließ sich nur von innen öffnen. Ich trat ein und begrüßte Sarah Gallanza, die Assistenz-Leitung und zur Zeit auch einzige Person im Raum – außer mir natürlich. „Hallo, ich bin Elijah . . .“ Sie fiel mir ins Wort: „Ich weiß, wer sie sind, Marschall. Willkommen zurück. Marschall Standar erwartet sie bereits.“ Ich war etwas erstaunt. Ich kannte sie noch nicht persönlich. Ich wusste nur, dass sie auch von Peggys Planeten aus ihrem ehemaligen Team stammte und Peggy sie erst vor einer Weile hier eingestellt hatte. Sie wirkte etwas unterkühlt. Ich erwiderte: „Oh, . . . danke!“ und ging an ihr vorbei in Peggys Büro.
„. . . ich möchte ihre Vorschläge bis morgen auf meinem Tisch haben, Marschall. Wir werden alle Bewerber prüfen und melden uns dann, wer in Frage kommt.“ hörte ich sie sprechen. Ihr Gegenüber konnte ich nicht sehen, hörte nur eine Stimme antworten: „Ja, Marschall Standar. Ich habe bereits alles beisammen und schicke es ihnen gleich rüber.“ Peggy blickte auf und sah mich. Ein Strahlen lief über ihr Gesicht. Sie schaute zurück zum Monitor: „Danke Marschall, ich melde mich. Ich muss Schluss machen.“ „Alles kla…“ hörte ich noch den anderen Marschall sagen, da hatte Peggy schon die Verbindung gekappt. Sie schmiss den Stift hin, den sie noch in der Hand hielt, stand auf und rannte um den großen Tisch, mir direkt in die Arme. Ich glaube, es dauerte Minuten, in denen wir uns einfach nur festhielten und kein Wort sprachen. Langsam lösten wir uns und sahen uns in die Augen. Ihre Augen wurden feucht und eine kleine Träne rann über ihr Gesicht. Ich zog sie wieder an mich und küsste sie. Worte waren überflüssig.
Peggy bot mir etwas zu Trinken an. Ich nickte und sie goss uns beiden einen kleinen Drink ein. Wir setzten uns in die Besprechungsecke über Eck und nahmen einen Schluck. Sie schüttelte den Kopf: „Oh man. Das machst du bitte nicht noch mal mit mir. Ich dachte, ich drehe durch. Erst die Nachricht, dass der Stollen zusammengebrochen ist und dann kam die Nachricht wegen dir.“ Ich unterbrach sie: „Moment, welcher Stollen?“ „Ach ja, das weißt du ja noch gar nicht. Wir haben neben den Arbeiten hier unten schon in den Bergen angefangen, Stollen zu bauen. Für die Notunterkünfte, Notversorgung, Backups der Datenbanken und so weiter. Du erinnerst dich?“ Ich nickte nur. Sie fuhr fort: „Leider war wohl das Gestein im Inneren des Berges instabiler als außen. Jedenfalls sind zwei der Stollen eingestürzt. Es gab 17 Tote.“ Ich erschrak: „Oh man. Das ist schlimm. Und nun?“ „Ich habe für morgen eine Sitzung anberaumt, um zu klären, wie es dort weitergeht und es wird Infos zur allgemeinen Lage der Bauarbeiten und Planungen geben. In den eingestürzten Stollen wurde alles geborgen und sie wurden vorerst gesperrt. In den anderen wurden verstärkte Deckenkonstruktionen eingezogen. Die Arbeiten gehen eingeschränkt und übervorsichtig weiter. Wir müssen uns besser den Gegebenheiten anpassen.“ Ich dachte kurz nach, dann erwiderte ich: „Wurde das Gestein nicht gescannt?“ Peggy zuckte die Schultern: „Ich war nicht dabei. Angeblich ja. Aber es sollen unregelmäßig poröse Adern durch den Berg führen. Das hat man jetzt festgestellt. Vielleicht hat man tatsächlich genau an diesen Stellen nicht gescannt.“ Ich schüttelte den Kopf. „Man scannt doch nicht nur die Stelle, wo man buddelt, sondern großräumig. Wenn wir zu einem neuen Planeten kommen, scannen wir einmal rundum.“ „Wie gesagt, ich war nicht dabei. Das muss geklärt werden.“ „Yupp, das muss es. Aber so schlimm, wie das ist, heute Abend feiern wir unsere Mission.“ Peggy lächelte wieder: „Ja, das werden wir. Ich habe sogar schon in Freins Akten den zweiten Stern registriert.“ Ich grinste: „Du bist die Beste.“ Ich schickte ihr einen Flugkuss und sie schickte einen zurück: „Ich weiß . . . aber sie war schon ganz schön gerührt.“ kam sie auf das Thema zurück. „So hart, wie sie manchmal ist.“ „Das stimmt. Aber sie hat da oben schon was mitgemacht. Sicherheitschefin und Missionsleitung sind schon was Anderes. Aber das bringt die Erfahrung. Nicht jede Mission läuft nach Plan.“ Peggy lächelte: „Na Erfahrung konnte sie reichlich sammeln.“ Ich nickte: „Oh ja.“ Nach einem Moment des Schweigens fragte ich: „Wie lange machst du noch? Ich wollte mir mal unser Quartier anschauen und vielleicht ein Bad nehmen.“ Ihre Augen leuchteten: „Aber nur mit mir zusammen“ Ich grinste: „Ist die Wanne denn groß genug?“ Schnippig antwortete Peggy: „Was denkst du denn? Ich habe eine Doppelbadewanne einbauen lassen. Ich weiß doch, wie gerne du badest.“ Ich lachte und nahm zufrieden einen Schluck. „Du hast aber noch nicht auf die Frage geantwortet.“ meinte ich, nachdem ich genüsslich geschluckt hatte. „Von mir aus können wir los. Ich habe Angestellte.“ Ich lächelte und schaute auf die Uhr: „Das wird ein langes Bad.“ Peggy stand auf und ging um ihren Tisch. Sie drückte ein paar Knöpfe und wartete. Sarah Gallanza meldete sich: „Ja Marschall?“ Peggy meldete sich ab: „Ich mache hier Schluss. Sie erreichen mich über Funk, falls was ist.“ „Ja Marschall.“ Peggy unterbrach die Verbindung wieder. Ich schaute etwas erstaunt: „Das hättest du ihr auch sagen können, wenn wir rausgehen.“ Peggy sah hoch: „Stimmt, aber ich gehe meistens hier raus. Ist so eine Angewohnheit.“ Sie zuckte mit den Schultern. Dann verließen wir ihr Büro und das Gebäude, um zu einem der ersten Wohnkomplexe zu laufen. Die unterirdischen Bahnen zwischen den Gebäuden waren noch nicht fertiggestellt, aber ein wenig frische Luft und etwas Bewegung konnte nicht schaden. Wie am Anfang besprochen, war der Komplex autark und in Sternform gebaut. Unser Apartment befand sich im obersten, dem 5. Stock. Auch hier hatten wir das Privileg unserer Führungspositionen und natürlich als Paar, eine große geräumige Wohnung zu bewohnen. Das lustige dabei war, dass wir vermutlich an den meisten Tagen nur zum Schlafen dort sein würden. Ich durch meine Reisen wahrscheinlich noch weniger. Peggy zeigte mir kurz die Räumlichkeiten, dann verschwand sie, um unser Bad einzulassen.
Neben dem großräumigen Empfang und der Funkzentrale gab es im Erdgeschoss des Haupthauses noch diverse kleinere Versammlungsräume und Büros für Besucher, Crew-Mitglieder usw., und den großen Empfangssaal, in dem wir uns gegen 18:00 trafen. Die Brücken-Crews und einzelne Ingenieure der beiden Schiffe sowie Peggy mit einigen ihrer Kollegen aus der Basis versammelten sich zwischen der dafür vorbereiteten Bar und dem Buffet. Es waren Tische aufgestellt, aber eher, um sich zum Essen zu setzen, als für eine offizielle Besprechung. Dieser Abend wurde gefeiert.

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Stand der Dinge